Um 6:15 Uhr soll unsere Fähre Ketchikan wieder verlassen. Entsprechend früh stehen wir schon an der Rezeption, nehmen uns Kaffee und warten auf das Taxi. Ein bulliger und lustiger Typ ist unser Taxifahrer, der gleiche, der am Vortag noch Fahrer bei Super 8 war. Er hat zwei Jobs. Während der Dienstzeiten von Super 8 fährt er das dortige Shuttle, davor und danach sitzt er in seinem eigenen Taxi und verdient sich noch einige Dollar zusätzlich.
Er bringt uns wieder zum Fährterminal zurück und rundet den Fahrpreis großzügig ab, da wir inzwischen ja fast schon zu Bekannten geworden sind. Eigentlich überflüssig zu erwähnen, daß es regnet, aber der Vollständigkeit halber ...
|
Die Taku, ein Schiff des AMHS Alaska 2000
|
So wählen wir diesmal auch Plätze in der Inside Viewing Lodge. Alternativen hätte es auch nicht gegeben, wie wir später enttäuscht feststellen, da unsere heutige Fähre gar kein Sonnendeck hat. Da es sich bei fast allen Schiffen des AMHS um zusammengekaufte Gebrauchtboote handelt, zeichnet sich eben jedes durch seine eigenen Vor- und Nachteile aus. Dieses war übrigens früher einmal ein deutsches Fährschiff.
Positiv gesehen, hatten wir somit erstmals die Gelegenheit den Blick nach vorne zu richten und der Fahrt des Schiffes zu folgen. Während Claudia etwas Schlaf nachholt, erkunde ich das Schiff, das in anderer Aufteilung das gewohnte Bild einer Inside Passage Fähre bietet. Einige Teile des Schiffes sind allerdings nur durch Außengänge zu erreichen. Auf der Backbordseite des Schiffes wird der Regen vom Wind an die Bordwand gedrückt, die Wellen sind stärker als in den letzten Tagen, aber das Schiff gleitet recht ruhig übers Wasser.
Wir sind froh, daß wir bei diesem Wetter heute nur einen halben Tag auf See sind. Da wir schon Mal in der richtigen Lounge sitzen, warten wir gespannt auf den Ranger Talk über das Leben in Alaska. Viel vorbereiten mußte sich der Ranger dafür nicht. Er erzählt einfach sein Leben. Doch das ist spannend genug. Holz und Fischfang spielen eine bedeutende Rolle darin und das sind auch zwei der wesentlichen Wirtschaftsfaktoren Alaskas. Besonders lebhaft berichtet er von seiner Zeit als Treibholzsammler.
Als solcher erwirbt man die Lizenz und damit die Verantwortlichkeit für einen Küstenabschnitt (und davon hat Alaska tausende von Meilen!). Jedes Stück Treibholz, das an diesem Strand anlandet oder binnen einer gewissen Entfernung davor entlang zieht, fällt in das Eigentum des Sammlers. Unabhängig davon, ob es durch natürlichen Einfluß ins Meer gefallen ist oder sich aus einem Holzfloß (damit werden geschlagene Stämme zu den Sägewerken transportiert) gelöst hat. Treibholzsammler sind dabei ähnlich wie Goldsucher. Die meiste Zeit fischen sie Stämme heraus, die gerade ausreichen, um die Kosten der Lizenz und des Lebens zu decken, doch immer hoffen sie darauf, daß der besondere Stamm an ihnen vorbeitreibt, der auf den asiatischen Märkten ein kleines Vermögen erzielt. Hier und da gelingt es einem Sammler und man erzählt sich noch lange davon, daß dieser dann monatelang verschwunden war, irgendwo in Saus und Braus gelebt hat. Heute steht er mit Sicherheit wieder zwischen ihnen, erzählt selbst die Geschichte immer wieder und wartet auf den nächsten Stamm.
Während unser Ranger seine Worte abschließt taucht plötzlich Prince Rupert aus dem Nebel auf und wir gehen mit unserem Gepäck raus an die Reling, die inzwischen nicht mehr von Regen und Wind gepeitscht wird.
Der Zoll erwartet uns und wir reisen problemlos wieder nach Kanada ein. Einige hundert Meter entfernt vom Terminal des Alaska Marine Highway System sehen wir das Terminal von BC Ferries, die uns von hier aus morgen nach Port Hardy bringen werden. Wir entscheiden uns, unseren Voucher schon jetzt in Bordkarten umzutauschen und laufen rüber. Vom Terminal aus melden wir uns bei unserem Hotel und erfragen die Möglichkeit eines Shuttle Service. Wieder werden wir jedoch enttäuscht und auf den Bus verwiesen, der jede ankommende Fähre erwartet.
|
Sunken Gardens Prince Rupert, Kanada 2000
|
Wie sich herausstellt wartet er allerdings nicht auf Passagiere, die zuerst noch ihre nächsten Bordkarten besorgen. Wir gehen zurück zum Alaskaterminal und treffen auf drei weitere Reisende, die ebenfalls in die Stadt wollen. Ein Paar, dessen Englisch sie schnell als Deutsche identifiziert und einen Texaner. Das deutsche Paar hat bereits ein Taxi bestellt und wir warten gespannt, ob es ein großes wird, daß wir uns teilen können oder nur ein kleines. Ein kleines wird es lediglich, aber der Taxifahrer ist auch bereit, uns alle 5 mitzunehmen, wenn wir uns arrangieren.
Zu sechst, 5 davon mit großem Gepäck quetschen wir uns in die Limousine und lassen uns in die Stadt chauffieren. Unser Hotel ist der erste Stop, der Texaner steigt mit uns aus und will die restlichen Meter laufen. Wir versuchen unseren Anteil an den bisherigen Fahrkosten zu ermitteln, was sich zusätzlich dadurch erschwert, daß der Texaner durch Kanada reist ohne CAD zu besitzen. Also gibt er uns USD und wir geben ein paar CAD an das deutsche Paar weiter. Ob die Aufteilung letztlich fair war, war für alle nicht so entscheidend, da jeder weniger bezahlt hat als den Preis des Linienbusses.
Das Moby Dick Inn erwartet uns in Prince Rupert. Verglichen mit den meisten unserer bisherigen Unterkünfte ein großer Klotz, der eher Hotel- als Motelcharakter hat. Beim Einchecken blättern wir im Hotelprospekt und erkundigen uns nach Sauna und Schwimmbad. Wenn wir den Badebereich nutzen wollen, wird für uns gerne eine Reservierung eintragen ist die Antwort. Wir danken und gehen zu unserem Zimmer. Ich versichere mich nochmal bei Claudia, ob ich die englische Antwort richtig verstanden habe. Auch sie hat es so verstanden, daß man uns eine Reservierung angeboten hat. Wir überlegen, wie das wohl aussehen soll und beschließen, uns nochmal zu erkundigen.
Unser Gepäck lassen wir im Zimmer und reservieren an der Rezeption das Schwimmbad für 18:00 Uhr. Die Reiseführer schweigen sich merkwürdigerweise aus über Stadtrundgänge in Prince Rupert, so daß wir an der Visitor Information fragen. Dort gibt es einen Stadtplan mit Vorschlägen für einen Rundgang - zu kaufen ! Wahrscheinlich haben die Redakteure unserer Reiseführer genauso reagiert wie wir. Frechheit ! Wir kaufen doch keinen Stadtplan ! In einer Broschüre finden wir eine grobe Skizze, die ein paar Landmarken zeigt und nehmen diese als Orientierung.
Genau genommen gibt es auch nicht viel zu sehen. Wir steuern auf das Museum of Northern British Columbia zu und schauen uns ein paar geschichtliche Exponate an, die im Freien stehen. Hinter dem Museum verbergen sich die Sunken Gardens, eine tiefergelegte Gartenanlage. Von da aus steuern wir zwei Kirchen an, die jedoch beide geschlossen sind, und nehmen schließlich die Hauptstraße vorbei am Court House und der City Hall. Totem Poles flankieren das Rathaus und wir erklimmen eine Anhöhe zu einem Park hinauf. Auch hier stehen wir zwischen Totempfählen und haben eine Aussicht auf die Bucht und kleine, bewaldete Inseln.
Vom Hügel wieder runter, vorbei an einem witzigen Haus, daß an einer so steilen Stelle in den Hang gebaut ist, daß die Eingänge auf den verschiedenen Etagen jeweils mit einer Brücke mit der Straße verbunden sind, und rein in einen Supermarkt.
Wir müssen unsere Vorräte auffrischen. Kaum im Supermarkt merken wir, daß mit uns eine ganze Reisegruppe den Laden gestürmt haben muß - alles Deutsche. Wir reagieren wie immer in solchen Situationen. Wir bewegen uns möglichst unauffällig und sprechen nur noch Englisch miteinander. So kommen wir auch unbelästigt aus dem Laden wieder heraus und in unser Hotel.
Kleiderwechsel, Handtücher, Badesachen und Bücher unter den Arm und zurück zur Rezeption, wo man uns tatsächlich einen Schlüsselbund aushändigt. Im reservierten Bereich befinden sich Damen- und Herrenumkleiden, eine Sauna, die für zwei Personen wirklich großzügig bemessen ist und ein Whirlpool. Und alles gehört uns wirklich für eine Stunde allein. Die Sauna wurde bereits auf die bestellte Uhrzeit vorgeheizt, die Bedientafel für den Whirlpool verstehen wir nach ein paar Fehlversuchen auch und so nutzen wir unsere Stunde zur Entspannung.
Was fehlt noch an so einem Abend ? Abendessen ! Griechen gibt es in Prince Rupert aus irgendwelchen Gründen wie Sand am Meer, aber heute abend entspricht das nicht unserer Geschmacksrichtung. Wir landen bei La Gondola, einem gehobenen Italiener am Ufer des Prince Rupert Inlet. Eine lange Tafel an der Fensterfront ist von einer Gesellschaft belegt, aber die Abendstunden bieten sowieso kaum mehr Aussichtsmöglichkeiten. Ein Zweiertisch in der Mitte des Raumes, Antipasti, Fettucine, Ravioli und Weißwein bleiben für uns.
Am nächsten Morgen erwartet uns wieder recht früh eine Fähre. Um 6:00 Uhr stehen wir auf, nehmen ein Taxi und besteigen kurz nach 7:00 Uhr das Schiff der BC Ferries. Wir suchen wieder nach einem Sonnendeck am Heck des Schiffes und finden freie Stühle auf dem obersten Deck. Nur wenige Minuten später stürzt jedoch eine deutsche Touristengruppe über uns herein. Um keinem zu nahe zu treten, möchte ich den penetranten Dialekt jetzt nicht zuordnen, aber wir kommen uns vor, als hätten wir mit 50 Schnapsdrosseln eine Busfahrt gebucht. Unsere schönen Stühle geben wir frei und suchen uns auf einem der tieferen Sonnendecks einen Platz. Obwohl das Schiff brechend voll mit Tourgruppen zu sein scheint, finden wir noch zwei Plätze auf einem tieferen Deck.
|
Aussicht auf das Prince Rupert Inlet Prince Rupert, Kanada 2000 |
Während bei den Schiffen des AMHS die Reling aus Stangen bestand, die eine wunderbare Durchsicht auf Wasser und Inselwelt ermöglichten, gibt es bei diesem Schiff eine Bordwand, die leider so hoch gezogen ist, daß man nur die Kuppen der Inseln wahrnehmen kann. Wir sind etwas enttäuscht und gehen im Wechsel das Schiff erkunden, was die Stimmung nicht wesentlich verbessert. BC Ferries bietet uns die Miniaturausgabe eines Kreuzfahrtschiffes mit Spielwelten für Kinder, einer Bar, Computer- und Automatenspielzentren und einem Restaurant mit internationaler Küche. Das schlimmste allerdings ist (bis zu diesem Zeitpunkt), daß die deutschen Touristen um uns herum ganz begeistert davon sind, das Wiener Schnitzel mit Sauerkraut auf der Tageskarte stehen. Nicht, daß ich das nicht essen würde, aber ich werde es garantiert nie auf einer Urlaubsreise zu mir nehmen, die über die Alpen hinausgeht !
Wir wissen nicht so richtig, wie wir dem Tourismus entkommen sollen und als es nach unserem Mittagessen (Burger bzw. Folienkartoffel) draußen zu regnen beginnt, ziehen wir uns ins Restaurant zurück. Außerhalb der Essenszeit finden wir hier einen recht ruhigen Fensterplatz. Wir lesen und schauen raus auf's Wasser, wo uns fast regelmäßig Orkas begleiten. Wieder versuchen wir sie mit Fotoapparat und Kamera zu erhaschen, aber die Tiere sind zu schnell, um ein Foto zu erhalten, das mehr als Wasserspritzer zeigt.
Ein weiterer Tourismusschock erwartet uns allerdings noch, als wir einen Ranger Talk aufsuchen wollen. Uns erwartet eine Gameshow. Mehrere Ranger machen ein lustiges Frage- und Antwortspiel mit den Touristen, verteilen Punkte und hauen flache Sprüche raus. Die Touristengruppen scheinen sich zu amüsieren - oder hängt das vielleicht damit zusammen, daß aus der Bar auch schon seit den Vormittagsstunden Musik und Stimmung schallt ?
Im Dunkeln erreichen wir Port Hardy und bemerken einen weiteren Unterschied zwischen AMHS und BC Ferries. Die Alasker waren so clever, Fußpassagiere zuerst von Bord zu lassen. Bis die motorisierten Passagiere ihre Autos wiedergefunden hatten, den Wagen angelassen und sich orientiert hatten, waren so die Fußpassagiere schon längst von Bord. Auch in Kanada trennt man aus Sicherheitsgründen strickt die Entladephasen - nur umgekehrt. Erst jetzt, als wir mit anderen Fußpassagieren warten müssen, bis das letzte Fahrzeug die Fähre verlassen hat, merken wir, wie viele Fahrzeuge in so einen Schiffsrumpf passen. Falls einer von Euch Unternehmensberater ist und immer mal nach Kanada wollte, sollte er sich vielleicht mal mit BC Ferries in Verbindung setzen. Die brauchen einen !
Auch hier erwartet uns ein Bus, der uns unverschämte CAD 5,25 pro Person abverlangt und uns mitten in der Nacht durch Port Hardy kutschiert. Hier, an der Nordspitze Vancouver Islands hat die Dunkelheit ihren Namen wirklich verdient. Kein Licht erhellt die Nacht und wir können von der Stadtrundfahrt kaum profitieren. Diesmal haben wir wohl eines der Hotels, das als letztes angefahren wird und es ist bereits nach Mitternacht, als wir im Thunderbird Inn einchecken.
Aus dem Buch: 24 Tage am Beginn der Panamericana - Jetzt bestellen und weiterlesen!
|